Alles, was dir von morgens bis abends ‹geschieht›, sind Sinneseindrücke, Körperempfindungen, Gefühle, Gedanken und Gespürtes. Wenn in deinen Sinnen, in deinem Körperempfinden, Fühlen, Denken und Spüren nichts geschehen würde, was wäre dann noch übrig von deinem Dasein?
Die Beschreibung des Erlebens findet alles menschliche Geschehen in zehn Strömen: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten, Körperempfinden, Fühlen, Denken, Spüren und Sein. Die Frage nach dem Selbst-Erschaffenen ist mit ihrer Hilfe in diesen Bereichen einzeln untersuchbar.
Ein Teil von dem, was du in diesem Augenblick vor dir siehst, hast du möglicherweise selbst gestaltet: Die Farbe an den Wänden vor dir, einige Dinge um dich herum sowie ihre Anordnung. Möglicherweise hast du ein Bild neben dir selbst gemalt. Den Ort, an dem du jetzt bist, hast du selbst gewählt. Du wählst, welches Buch du liest und was du dir im Kino und Internet ansiehst.
Zugleich geschieht im Blickfeld einiges, das nicht selbst gemacht ist: Der Regen, der auf das Dach deines Autos prasselt, die Beule am Kotflügel, die dir ein anderer Verkehrsteilnehmer beim Rangieren eingebrockt hat, der Mann mit dem Schirm, der von links in den Anblick hineinläuft und rechts wieder entschwindet.
Wem das, was er sieht, nicht gefällt, kann seinen Ort wechseln, seine Umgebung schöner gestalten und die Beule reparieren (lassen). Zugleich scheint das Licht an Dingen zu reflektieren, auf die wir keinen Einfluss haben. Jeder Mensch kann in jedem Moment die Augen schließen, doch das scheint kein schlauer Plan für ein Dasein auf Erden zu sein.
Fazit: Was ein Mensch sieht, liegt nur zum Teil in seiner Wahl. Das meiste Gesehene ist nicht selbst gemacht.
Wen das Dröhnen des Rasenmähers am Sonntag stört, kann zum Nachbarn gehen und mit ihm gemeinsam Stille erzeugen. Die tickende Wanduhr ist oftmals selbst erstanden, es gibt auch lautlose ohne Sekundenzeiger. Wenn das Auto rappelt und scheppert, kann man lose Teile austauschen und festigen.
Das Poltern der Nachbarn, der Lärm der Straße, das Dröhnen des Flugzeugs, die Sirene, das Lachen der Kinder, all das dringt auch von Ferne zu den Ohren, ohne es selbst gemacht oder auch nur gewählt zu haben.
Der Hörsinn reicht weit, kann nicht wie das Sehen gerichtet oder so leicht verschlossen werden. Die Wahl des Gehörten ist damit geringer als die des Gesehenen und in der Welt haben wir nur wenig Wahl auf das, was wir hören. Kaum etwas Gehörtes ist selbst gemacht. Der Verlust des Hörens ist von allen fünf Sinnen der schwerwiegendste Kontaktverlust.
Wenn es in der Küche süßlich-faulig riecht, ist möglicherweise der Bio-Müll lange nicht geleert worden. Wer den Geruch von kaltem Rauch nicht mag, kann den Mitbewohner bitten, außer Haus zu rauchen und die Reste auch dort zu entsorgen. Wem der Geruch vor dem Eingang zum eigenen Häuserblock nicht gefällt, kann sich eine andere Bleibe suchen. Doch das ist leicht gesagt. Und vielleicht entschädigt auch der Ausblick über die Stadt für den Geruch vor der Tür?
Gerochenes kann durch das Kochen eines Kaffees, das Entzünden von Räucherstäbchen und das Entsorgen von alten Möbeln selbst gestaltet werden. In der Welt liegt die Wahl des Riechens vor allem in der Wahl des Ortes. Nur wenig Gerochenes ist selbst erschaffen.
Die Gunst des Zuhause ist die wesentlich höhere Wahl des Gesehenen, Gehörten und Gerochenen.
Mit dem Schmecken ist es anders: Du selbst steckst die Dinge, die du schmeckst, in den Mund. Niemand anderes wählt die Lebensmittel, Nahrungsmittel und Genussmittel aus, die du verzehrst. Und die Wahl an Möglichkeiten ist groß.
Da Schmecken so eine geringe Reichweite hat, ist es wesentlich selbstbestimmter als Riechen, Hören und Sehen. Wenig Geschmecktes ist jedoch selbstgemacht. Wenn wir Menschen wieder mehr Zeit haben, können wir mehr Nahrung selbst erstellen.
Wer nicht gerade Schneider oder Tischler ist, hat das täglich Getastete selbst gemacht: Den Menschen um dich, den du berührst, die Luft außerhalb deiner Wohnung, ihre Wärme, Kälte und Feuchtigkeit, das Lenkrad deines Autos, die Technik in deiner Hand, die Kleidung auf deiner Haut. Dafür können wir uns weit mehr als im Hören und Riechen, selbst tasten und damit in diesem Sinn berühren.
Tasten hat ebenso wie das Schmecken keine Reichweite und ist ganz selbstbestimmt.
Ab hier beginnt die Frage nach dem ‹Selbst› an Bedeutung zu gewinnen: Wie viel deines Körperempfindens machst du selbst? Bist du dein Körper oder hast du ihn nur? Wer oder was ist dein Selbst?
Wenn der Magen knurrt, hast du es selbst gemacht, weil du lange nichts gegessen hast? Wenn dein Körper Steifheit zeigt, hast du es selbst gemacht, weil du jeden Tag lange vor dem Bildschirm sitzt? Wenn dein rechter Arm schmerzt, hast du es selbst gemacht, weil du zu viel Verantwortung übernommen hast!?
Wie viele deiner Körperempfindungen ruft die Umwelt in ihm hervor, wieviel der Körper selbst und wie viele das eigene Gemüt, die eigene Seele? Sicher ist: Wer seinen Körper empfindet, seine Ausdrücke hört und mit ihm und der eigenen Seele spricht, findet immer wieder Wege, um in Gesundheit zu leben.
Es mag dich erschrecken, doch die meisten unserer Gedanken machen wir nicht selbst. Es sind im eigenen Verstand gelagerte Aussagen, die wir nur selbst eingelagert haben, nicht jedoch erschaffen. Der unerzogene Verstand teilt tagein, tagaus bei jedem kleinen oder großen Erlebnis mit, was er hierzu in sich selbst an gespeicherten Aussagen findet.
Zugleich leben wir in ständiger geistiger Verbundenheit mit den uns nahen Menschen. Eine Mutter ist innerlich beunruhigt, sobald sich ihr Kind auch außerhalb der Sicht- und Hörweite verletzt. Einem bewussten Menschen kommt der Verwandte in den Sinn, kurz bevor dieser anruft. Der eben geführte Streit mit dem Gefährten, der inzwischen das Haus verlassen hat, setzt sich im Innern fort.
Dieses ist der Grund, warum viele ihr eigenes Denken nicht hören möchten: Es ist ein Haufen fremdes Zeugs und zeigt in aller Deutlichkeit die noch ungeklärten Beziehungen auf.
Zugleich denkt wir auch selbst, können eigene Räume des Denkens in unserer geistigen Welt erschaffen und diese auch immer wieder aufsuchen. Jeder kann Lösungen für eigene Probleme finden, stimmige Worte, Zusammenhänge, sich rechtzeitig an Bedeutsames und Notwendiges erinnern, Fragen an das eigene Selbst stellen und Antworten empfangen. Jeder hat immer wieder hilfreiche Ideen, Eingebungen und Inspiration.
Denken ist wie Sehen und Hören: Nur ein Teil des Gedachten ist selbst gemacht. Nur sehr mächtige Menschen haben sich ihre innere Welt so weit selbst erschaffen, dass sie selbst wählen, was sie denken möchten.
Es mag dich beruhigen oder ebenso erschrecken: Jedes Gefühl in dir ist von deiner eigenen Seele erschaffen. Niemand kann einem anderen Menschen ein Gefühl machen. Es ist jedoch möglich, auf einen Mitmenschen einzuwirken und dann mitzuerleben, ob er oder sie das zuvor angedachte Gefühl zeigen wird. Niemand kann sich sicher sein, dass es wirklich geschieht. Denn die Seele ist mächtig und lässt sich von niemandem in ihrem Ausdruck vorherbestimmen.
Sie schafft jede Regung von Angst, Wut, Freude, Leid, Traurigkeit und Liebe in dir. Es ist der erste Grund, warum wir sagen: «Man sieht nur mit dem Herzen gut.» Zugleich hat nahezu jeder Mensch aufgestaute Gefühle. Das aktuelle Gefühle ist eine Mischung aus der Seelenbewegung des Momentes und dem verfestigten Lebensgefühl des Gemüts.
Tun-Tipp: Untersuche die in dir aufkommenden Gefühle und erforsche, was deine Seele in ihnen mitteilt.
Das Wahrnehmen der Gefühle der Mitmenschen ist ein Spüren. Wer bewusst erlebt, kann Fühlen und Spüren in sich unterscheiden.
Zunächst scheint es mit dem Spüren so wie mit dem Tasten, Riechen, Hören und Sehen zu sein. Es ist ein Unterschied spürbar, je nachdem, an welchem Ort du dich aufhältst, wem du begegnest, auf wen du dich einlässt, was du zu dir nimmst, welchen Gedanken du nachgehst und wohin du deine Aufmerksamkeit richtest. Der Inhalt des Gespürten scheint nicht selbst gemacht zu sein, wohl aber die Wahl, wohin du dein Spüren richtest und was dich umgibt.
Und zugleich ist das Spüren ein magischer Sinn. Denn wir Menschen erschaffen unsere geistige Welt selbst. Probiere es, indem du dein Bewusstsein weitest. Probiere es, indem du im weiten Bewusstsein dein Feld klärst. Ist dein Spüren nun noch dasselbe wie zuvor?
Es ist immer und unveränderlich. Es ist eine Gnade, das reine Sein in sich zu erleben. Kein Mensch konnte bisher glaubhaft mitteilen, eine Änderung in diesem bemerkt zu haben.
Niemand erschafft es. Es ist einfach. So, wie es ist.
Das eigene Erleben ist wesentlich von den Beziehungen geprägt, die wirklich und wahrhaftig im Geistigen bestehen. Eine liebevolle, achtsame, unterstützende und auch erfüllte Beziehung ist stets ein gemeinsames Werk. Erst in Absprache mit der Seele des anderen ist eine wahre Auflösung möglich.
Wer sein Leben in eigenen Händen hält, erschafft vieles in seinem Erleben selbst. Hüte dich jedoch davor zu glauben, dass du die Welt verändern kannst!
erschaffen tun können erforschen leiden Verantwortung entschlossen
Heilung Vergebung Heilsätze Bestimmung gemeinsam liebevolles Tun
veröffentlicht am 31.7.2016, letzte Änderung am 14.9.2016 um 23:30 Uhr
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